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MieWeG: hochkomplexe Parallelrechnung

Rund um den aktuellen Gesetzesentwurf zum sogenannten Mieten-Wertsicherungsgesetz (kurz MieWeG) – fälschlicher Weise auch oft als „Mietpreisbremse“ oder gar „Mietpreisdeckelung“ bezeichnet – hat sich insbesondere in den sogenannten sozialen Medien eine überzogene ideologische Diskussion entzündet:

  • Enteignung! Eingriff in die freie Mietgestaltung!
  • Wir sorgen für leistbares Wohnen!

.. ist da zu lesen. Allein der Umstand, dass in die freie Mietpreisgestaltung eingegriffen wird, wird schon jetzt für weniger Transaktionen, weniger Angebot am Markt und weniger Wohnbautätigkeit verantwortlich gemacht.

Im Kern wird es jedoch – falls es tatsächlich in der derzeitigen Form kommt – vor allem dazu führen, dass MieterInnen und VermieterInnen mit einer nochmal größeren Rechtsunsicherheit konfrontiert werden, weil nun hochkomplexe Parallelrechnungen anzustellen sind. Der größte wirtschaftliche Effekt ergibt sich weniger aus der begrenzten Begrenzung der Mietenerhöhung bei einer Inflation über 3%, sondern vielmehr aus der Vereinheitlichung des Zeitpunktes für Mietenerhöhung auf den 1.April.

Parallelrechnung

§ 1 Abs 1 MieWeG begrenzt die vertraglich vereinbarte Wertsicherung, ersetzt diese aber nicht! Daher ist – für sämtliche bestehende Mietverträge, unbefristet auf Vertragsdauer! – eine komplizierte Parallelrechnung anzustellen, wie auch in den Erläuterungen zum Gesetzestext explizit gefordert wird.

Das läuft der Intention klar entgegen, die Mietenanpassungen EINFACHER zu gestalten. Schließlich sollte es doch nur noch EINE Wertsicherungsmöglichkeit, gesetzlich festgelegt, immer am 1.4., auf Basis der VPI-Veränderung des Vorjahres, geben. 

In den Übergangsbestimmungen regelt § 4 Abs 2 MieWeG dazu besonders obskur:

„Bei Verträgen, die vor dem 1.Jänner 2026 geschlossen wurden, gilt […] als Zeitpunkt des Vertragsabschlusses […] jener Zeitpunkt, auf den sich der für die letzte Wertsicherung maßgebliche Index bezogen hat.“ 

Gesetzeswortlaut führt ins zeitliche Nirvana

Der Verweis auf Absatz 2 Ziffer 2 (erstmalige Valorisierung) muss zwangsläufig nach den Gesetzen der Zeit und der Logik in die Leere führen. Die letzte tatsächlich stattgefundene Wertsicherung gilt nämlich nunmehr als „erste Valorisierung nach Vertragsabschluss“. Zumal ja der tatsächliche Vertragsabschluss durch den „Zeitpunkt, auf den sich der für die letzte Wertsicherung maßgebliche Index bezogen hat“, zu ersetzen ist.

Ein einfaches Beispiel: Auf welchen ZeitPUNKT hat sich denn der für die letzte Wertsicherung herangezogene Index bezogen?! zB der Oktoberwert des VPI 2020 wohl auf den 1.Oktober 2024. Dann ist nach dem Gesetzeswortlaut § 1 Abs 2 Z 2 wohl die „erste Valorisierung nach Vertragsabschluss“ – dieser wurde gerade durch den 1.Oktober 2024 ersetzt – zu prüfen. Das war im konkreten Fall also der 1.1.2025. Nach § 4 Abs 2 gilt das MiWeG aber nur für „Erhöhungen, die ab dem 1.Jänner 2026 eintreten“. Somit nicht für die erste Valorisierung nach Vertragsabschluss. 

Da sich die letzte Wertsicherung immer nur auf einen Index beziehen kann, der vor dem Zeitpunkt der stattgefundenen Wertsicherung liegt, ergibt sich zwangsläufig, dass die „erste Valorisierung nach Vertragsabschluss“ bereits stattgefunden hat.

Über die Zeit

Dankenswerter Weise ist in den Erläuterungen zum Gesetzestext eine Beispielrechnung – zumindestens ansatzweise – für die Anpassung von Mieten mit Indexierung aufgrund des VPI vom März enthalten, wobei in dem Beispiel unklar bleibt, welcher Zeitpunkt für die Mietenerhöhung vertraglich vereinbart ist. Aus den Erläuterungen geht somit hervor, dass im Gesetzestext wohl immer die nächste Valorisierung ab 1.1.2026 gemeint ist. 

Beim Versuch die geforderte Parallelrechnung nun tatsächlich anzustellen, wird es dennoch zeitlich kompliziert:

  • Vertragsabschluss < Vertragsbeginn: Es ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses statt des Vertragsbeginns heranzuziehen (§1 Abs 2 MieWeG)
  • Zeitpunkt, auf den sich der für die letzte Wertsicherung maßgebliche Index bezogen hat (§ 4 Abs 2 MieWeG): Es wird ein ZeitPUNKT erfunden, auf den sich die Indexanpassung beziehen würde. Obwohl sich Indizes üblicher Weise auf einen Zeitraum wie ein Monat oder im Falle des durchschnittlichen VPIs ein JAHR bezieht. Eine Festmachung auf einen Zeitpunkt erscheint damit schwer möglich. Warum nicht einfach den Zeitpunkt der Mietenerhöhung heranziehen? Dieser unterscheidet sich üblicher Weise um 2-3 Monate von dem geforderten Indexzeitraum.
  • Zeitliche Verschiebung nach vorne: Es bleibt unklar, ob nunmehr ab den 1.1.2026 sämtliche Anpassungen auf den April umzustellen sind, so wie es explizit § 1 Abs 4 vorsieht, oder womöglich sogar zweimal im Jahr angepasst werden kann, wenn der bisherige Zeitpunkt der Mietenanpassung im Kalenderjahr nach dem April liegt. Sehr hilfreich wäre in den Erläuterungen also ein Beispiel für einen Zeitpunkt der bisherigen Mieterhöhung nach dem April. Wird laut Gesetzestext davon ausgegangen, dass nunmehr nur noch im April erhöht werden kann, so kann somit im Jahr 2026 gar keine Erhöhung stattfinden. Fraglich bliebt, ob diese dann im April 2027 nachgeholt werden kann, oder aber ob sich die Miete im April 2027 nach der vertraglich vorgesehenen Miete für Mai 2026 richten muss. 

 

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Beispielrechnung MieWeG

Beispielrechnungen

In unseren Beispielrechnungen haben wir mit Hilfe von Excel versucht, zwei möglichst einfache Beispiele abzubilden. Wohlgemerkt für den einfachen Fall, dass in der vertraglichen Vereinbarung nicht etwa Stufenregelungen, sondern nach einem VPI wertgesichert wurde. Und unter der Annahme, dass sich der jeweilige Monats-VPI sowie der durchschnittliche Jahres-VPI in Zukunft gleich, bei konstant 2% entwickelt.

Im Ergebnis zeigt sich, dass

- in Beispiel 1 eine scheinbar geringe Reduktion von weniger als 3 Euro Monatsmiete nach 10 Jahren zu einer Verminderung von 1.122 Euro führt! Das vor allem aufgrund der Verschiebung der Erhöhungen von Jänner in den April.

- in Beispiel 2 die anfänglich hohe Reduktion von 170 Euro im Jahr 2026, je nach Gesetzesauslegung entweder im Laufe der 10 Jahre auf 0 zurückgeht, oder aber auf 2.500 Euro kummuliert. Dies auch wiederum allein aufgrund der Verschiebung der Erhöhungen von Mai (2025) auf April (2027).

Conclusio: Wie hoch die Mietreduktion ausfällt (bzw. ob diese überhaupt langfristig stattfindet) hängt primär vom vereinbarten Wertsicherungsstichtag ab.

Dieser Haupteffekt der Verschiebung des Zeitpunkts der Mietenanpassung in den April ist wirtschaftlich gesehen der größte Eingriff des gesamten Gesetzes. Eine sachliche Begründung dafür gibt es aber nicht.